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Der Grottenolm

 2 years ago
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Der Grottenolm

Erster Tag"Und Gott sprach: Es werde eine Feste zwischen den Wassern, die da scheide zwischen den Wassern. Da machte Gott die Feste und schied das Wasser unter der Feste von dem Wasser über der Feste. Und so geschah es." Ja, so war das damals. Und wie es so oft ist, bei diesem Gott, so war es auch hier: Idee gut, Ausführung eher miserabel. Es ist ja nun doch wirklich sinnvoll, Wasser und Land zu trennen, aber da ist IHM doch ein Fehler in der Definition (abgesehen von der grausigen Grammatik und dem Satzbau) untergekrochen: "Und Gott nannte die Feste Himmel". Auch hier hat der Mensch geschwind nachgeholfen; er nannte den Himmel einfach Land, und alles was über dem Land war, Himmel mit Manchmal-Wölkchen. Außerdem gab es über dem Himmel kein Wasser, sondern nur daneben, so daß der Mensch den Satz mit "über" und "unter" kurzerhand in den mit "links neben" und "rechts daneben" änderte.

So war er wieder zufrieden. Jahrtausendelang. Bis er auf einmal merkte, dass Gott beim Trennungsakt doch ein wenig Recht gehabt aber zuwenig darauf hingewiesen hatte: Es gab nämlich doch Wasser unter der Erde! Aber wir wollen dem damals arg beschäftigtem Gott daraus keinen Vorwurf flechten, denn ohne diese recht unbeabsichtigte Seltsam-Trennung gäbe es keine unterirdischen, mit Wasser gefüllten und völlig dunklen Höhlen, auch Grotten genannt. Und genau hier entwickelte sich, wie um Darwin die Zunge rauszustrecken und "ääätsch, von wegen `survival of the fittest" zuzurufen das nutzloseste Ding seit Erfindung der Mützen mit Händen, die aneinander klatschen, wenn man an Fäden zieht. Und um dem noch eins draufzusetzen, lebt es auch noch! Keine Frage, die Rede ist von dem Grottenolm, dem einzigen lebenden Verwandten des Steins.

Grottenolm

Erst kürzlich haben führende Grottenolmologen herausgefunden, dass dieses Wesen das eindeutig beste Gehirn hat, das man sich vorstellen kann. Doch um sich nicht mit anderen Lebewesen über die Frage zur Antwort der großen Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest streiten zu müssen, kapselte der Grottenolm kurzerhand sein höchstentwickeltes Gehirn von allem anderen ab, so dass er selbst von seinem Hirn soviel wußte wie sein Hirn von dessen Umgebung: Nichts!

Und in eine hauchdünne Schicht von eben diesem Nichts gebettet liegt nun das Hirn des Olms wie ein Senfgurke in einem mit Vakuum gefüllten Marmeladeglas. Und wie unser Urolm so ohne Gedanken (bzw. mit einer unvorstellbaren Menge an Gedanken, von denen er aber nichts wußte) durch die dunkle Grotte schawenzelt, heizt er mit nahezu 70 Sachen rumms-bumms gegen die nächstbeste wand. Weil er dies aber nicht bemerkt schwuppfluppt er weiter durch die Grotte, um irgendwo anders mit nahezu 70 Sachen rumms-bumms gegen eine Wand zu heizen. Und mit Hilfe von Zufall, das ist soetwas wie ein Grottenolm ohne Materie (ähnlich dem sagenumwobenen Molekül-Man), der ihn führte, ohne das beide etwas davon wußten, knallte unser lieber Grottenolm wieder und wieder gegen genau dieselbe Stelle.

"Steter Olm höhlt den Stein", weiß ja jedes Kind. Naja, und so wurde die Schöpfung wieder um etwas vervollkommnet, woran der, für den die Kirchen von Wesen, die weniger undumm sind als ein Grottenolm (nur leider wissen diese Wesen, dass sie mehr unklug sind als ein gummiaussehiges Schwanzlurch) erbaut wurden (oh, doch, dieser Satz macht Sinn, lies ihn noch mal langsam und vergiß dann diese Klammer), nicht gedacht hätte: Grotten mit Verbindungen und wirr verschlungenen Kanalirrgärten. Und dies alles verdanken wir einem, nach dem Leberwurst-Prinzip mit Hirn vollgestopften Hautlappenschlauch, dessen Namen wir in Ehrfurcht aussprechen: Proteius anguinus

August 1994


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